Sonstiges

„Sleepless, Clueless, Dangerous“

J. Radon, J. Henz, Radon & Ishizumi, New York

Radon, Jenik, Prof., 269 West 71st Street, New York, 10023 NY, USA

Jenik Radon is engaged in a corporate legal practice with Radon & Ishizumi, has extensive experience in privatization, foreign investment and oil and gas transactions throughout the world, with a focus on public sector representation, and has lectured widely on natural resource funds in Asia and Africa. He was a lecturer at Stanford University (School of Law and Graduate School of Business), California, and is currently Adj. Asst. Professor at the School of International and Public Affairs, Columbia University, New York, Visiting Professor at the Indira Gandhi Institute of Development Research, Mumbai, India, and Executor-Trustee at Vetter Pharma Fertigung, Germany. Prof. Radon has recently published a paper on “sovereignty” in the Stanford Journal of International Law and on “complicity” in the Global Quarterly, the official journal of the Global Compact. He furthermore delivered the papers “The New Mantra: Bribers Beware!” at the 14th I.M.D.A. World Business Congress in Granada, Spain, in July 2005, and “Globalisierung ÷ Ethik = Respekt” at the Fachhochschule Ravensburg-Weingarten für Technik, Wirtschaft und Sozialwesen in Ravensburg, Germany, in September 2005.

Henz, Jasmine, LL.M.,

Jasmine Henz studied law in Germany, France and South Africa, specialized in International Private and European Law, and now works as the academic associate at Radon & Ishizumi, New York, USA.

Zusammenfassung

Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Phänomen Schlaf, der Schlaflosigkeit bzw. Schlafmangel und deren Auswirkung auf unser tägliches (Arbeits-)Leben. Was passiert, wenn wir aufgrund verschiedener Gründe an Schlafmangel leiden? Was, wenn wir aus Müdigkeit im Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz Fehler begehen, die in bestimmten Fällen dramatische Konsequenzen haben können. Erfahrungen und Studien aus Deutschland und den USA werden gegenübergestellt und anhand anschaulicher Beispiele beschrieben. Darüber hinaus werden Haftungsfragen und -regeln dargestellt. Wer muss die Verantwortung für Unfälle und Unglücksfälle am Arbeitsplatz oder auch im Straßenverkehr übernehmen, wenn diese auf zu lange Arbeitsstunden zurückzuführen sind? Schließlich werden Änderungs- und Verbesserungsvorschläge gemacht und gefragt, wie unsere Kultur der Leistungsgesellschaft zugunsten von Gesundheit, Sicherheit und Verbraucherschutz dazulernen und umdenken kann.

Schlüsselwörter: Schlaf – Schlaflosigkeit – Schlafmangel – Fehler am Arbeitsplatz – müdigkeitsbedingte Unfälle – Haftung in Deutschland und den USA – Kulturänderung

Summary

This paper deals with the phenomenon of sleep, sleeplessness or lack of sleep and their impact on our daily (work) life. What happens when we suffer from lack of sleep? What if we commit mistakes in the street traffic or at work because we are too tired, and what about the consequences that can be dramatic in certain cases? Experiences and studies from Germany and the USA are compared and described by vivid examples. Furthermore, questions and rules of liability are presented. Who bears responsibility for accidents and casualties at workplaces or in traffic that are caused by too long work hours? Finally, the paper tries to suggest changes and improvements, and raises the question as to how our culture of achievement-oriented society can learn and rethink in favor of health, safety and consumer protection.

Key words: Sleep – sleeplessness – lack of sleep – mistakes at work – Accidents caused by sleepiness – liability in Germany and the USA – change of culture

I. Schlaf – Ein liebes oder leidiges Thema?
Wenn Sie denken, Schlaf ist eine lästige Zeitverschwendung, unproduktiv und ein Zeichen von Faulheit, so liegen Sie falsch. Denken Sie, Schlafen ist die schönste Sache der Welt und sehnen sich pausenlos nach Ihrem Bett, so werden Ihnen sicher mehr Menschen zustimmen. Wie soll man es also halten mit dem Schlaf und der Arbeit, beides so wichtige Komponenten in unserem irdischen Leben?

Alle tun es – von der Fruchtfliege bis zum Homo Sapiens, aber was genau ist eigentlich Schlaf? Was geschieht mit uns, wenn wir müde sind? Und viel brisanter – was kann uns und anderen passieren, wenn wir müde sind und trotzdem zur Arbeit gehen, Auto fahren und unsere täglichen Handgriffe erledigen?

Inhalt dieses Beitrags soll nicht die medizinische Darstellung dessen sein, was physisch vor sich geht, wenn wir schlafen. Die Forschung ist auf diesem Gebiet in den letzten Jahrzehnten zwar erheblich vorangeschritten. Wofür Schlaf jedoch tatsächlich gut ist – um den Körper zu regenerieren oder doch eher um den Geist und das Gehirn zu entspannen? – darüber sind sich die Schlafforscher bis heute nicht einig.

Hier soll aber vielmehr das Thema Schlaf bzw. Müdigkeit und deren Auswirkungen auf die Arbeit betrachtet werden. Jeder ist davon betroffen. Jeder weiß, wie man sich fühlt, wenn man eine Nacht durchgefeiert, 12 oder oft mehr Stunden am Stück gearbeitet hat oder einfach von Schlafstörungen und Alpträumen geplagt nur wenige Stunden schlafen konnte, bevor es wieder an die Arbeit oder an andere verantwortungsvolle Aufgaben geht. Die Konsequenzen: Der Körper fühlt sich schwach, der Kopf ist wie umnebelt, man funktioniert langsamer, liest Passagen in der Zeitung oder in einem Dokument fünf- bis achtmal, bis man den Sinn ansatzweise erfasst hat, verschreibt und verspricht sich öfter und im Verkehr ist man auch unaufmerksamer. Im müden Zustand vermindern sich unsere Reaktionszeit und Leistungsfähigkeit, wir begehen Fehler und im schlimmsten Fall verursachen wir Unfälle, die tragisch ausgehen können, ähnliche Reaktionen und Folgen also wie nach dem Konsum von Alkohol.

Es drängt sich die Frage danach auf, wer haftet, wenn aufgrund von Müdigkeit Fehlentscheidungen und Fehlgriffe getan oder schlimmer, wenn Arbeits- oder Verkehrsunfälle während oder nach der Arbeit aus Übermüdung verursacht werden? Der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer oder eine Versicherung? Diesbezüglich sollen hier die Situation in den USA und die deutschen Haftungsregelungen dargestellt werden. Wie wird das Problem „Schlafmangel“ in den USA und in Deutschland, beide Gesellschaften, in denen Leistung und Produktivität groß geschrieben werden, wahrgenommen und wie wird damit umgegangen?

Wissenschaftler rund um den Globus machen aufmerksam auf den Nutzen eines kurzen Mittagsschlafes, die Mittelmeerländer sind bekanntermaßen von ihrer Siesta nicht abzubringen und die Chinesen haben der arbeitenden Bevölkerung den Xiu-Xiu, den Mittagsschlaf, tatsächlich gesetzlich vorgeschrieben. In Nordeuropa und auch den USA ist das Nickerchen am Tage noch überwiegend verpönt. Mittagsschlaf, so die verbreitete Meinung, ist etwas für Kleinkinder und Senioren, aber völlig fehl am Platz in der modernen Leistungsgesellschaft, denn hier gilt nach wie vor, Zeit ist Geld.

II. Schlaf und Arbeit – Freunde oder Feinde?
Ob und wie sich Schlaf und Arbeit bedingen, ob sie für- oder gegeneinander arbeiten und wie die leider viel zu häufige Abfolge, nämlich Übermüdung, Konzentrationsschwäche und Ausfälle bei gewohnten Tätigkeiten, bis hin zu schwerwiegenden Katastrophen führen kann, war und ist Gegenstand zahlreicher Forschungsprojekte. In unserer 24/7-Informationsgesellschaft, in der das Internet, Handy, Fernsehen und Werbung uns pausenlos begleiten und uns, ohne dass wir es bewusst bemerken, keine ruhige Minute mehr lassen, leiden immer mehr Menschen unter Schlafstörungen, gehen trotzdem jeden Morgen unausgeschlafen zur Arbeit und lenken und leiten unter Zeit- und Leistungsdruck Tag für Tag unser Leben, sei es als Ärzte, Busfahrer, Soldaten oder Kontrolleure im Kernkraftwerk. Das Ausmaß von müdigkeitsbedingten Fehlern in den verschiedenen Berufssparten ist leicht vorstellbar. Dennoch sind Politik, aber vor allem die Unternehmen und auch die Gesellschaft selbst trotz der offensichtlichen Gefahren von Schlafmangel bisher immer noch relativ ignorant oder schüchtern, was Verbesserungsmodelle angeht.

1. „Sleepless“ – Schlafgestörte Gesellschaft
Schlaf ist ein rätselhafter Zustand. Er macht ein Drittel unseres Lebens aus und sein Image veränderte sich über die Jahrtausende. In den alten fernöstlichen Religionen galt der Schlaf als Verbindung zwischen der Menschheit und dem Kosmos, er war die wahre Daseinsform1. Aber schon seit Sokrates und dann seit der Bibel hielt man Schlaf für gleichbedeutend mit Unglaube und Faulheit. Mit der aufkommenden Industrialisierung in Deutschland Anfang des frühen 19. Jahrhunderts wurde die Arbeit Grundlage des Lebens des einzelnen Menschen. In den Manufakturen und Fabriken entdeckte man das Potenzial menschlicher Arbeitskraft und führte alsbald eine allgemeine Arbeitspflicht ein, was dazu führte, dass eine durchschnittliche Arbeitswoche in Deutschland um 1840 83 Stunden hatte! Als Folge sank das Ansehen des Schlafs, das neue Motto lautete „Weniger Schlaf + mehr Arbeit = Fortschritt“ und Schlaf galt fortan und bis heute als Zeichen von Faulheit, fehlender Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit, Arbeitsscheu.

Laut einschlägigen Statistiken hat sich die durchschnittliche Schlafdauer in den letzten 100 Jahren um 20 Prozent verringert2. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts schliefen die berufstätigen Deutschen schon eine Dreiviertelstunde weniger als noch in den 60er Jahren.

Will man die Ursache für diese Entwicklung finden, muss man wohl bei der Entdeckung des elektrischen Lichts und damit bei seinem Erfinder Thomas Alva Edison3 beginnen. Er selbst war notorischer Kurzschläfer und Frühaufsteher4, war sehr stolz darauf und hielt nicht viel von Menschen, die acht oder zehn Stunden pro Nacht schliefen. Edison predigte regelrecht, dass Schlaf gesundheitsschädlich sei und die Menschen faul und dumm mache und verspottete seine Mitmenschen stets als seine „verpennten Zeitgenossen“ und Narren. Mit seiner Erfindung der Glühbirne 1879 wurde die Nacht immer öfter zum Tag, unsere innere Uhr wurde seitdem mehr und mehr ausgetrickst mit der Folge, dass unser naturgewollter Schlafrhythmus langsam aber sicher aus den Fugen geriet.

Heutzutage empfehlen Experten wieder mindestens sieben bis neun regelmäßige Stunden Schlaf pro Tag bzw. Nacht, um zu Hochformen auflaufen zu können. Nach Studien der National Sleep Foundation5 (NSF) bekommen Amerikaner allerdings nur durchschnittlich 6,9 Stunden Schlaf pro Nacht6; Deutsche liegen nach hiesigen Untersuchungen auch bei ca. sieben Stunden7.

Laut weiterer Umfragen der NSF haben 75% der amerikanischen Erwachsenen Schlafprobleme8. In Deutschland waren es nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts EMNID 56% der Befragten, die an Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten leiden. Die Ursachen für Schlafmangel und Übermüdung sind mannigfaltig: Unregelmäßige und unnatürliche Schlafrhythmen entstehen zum Beispiel bei Nacht- und Schichtdiensten, Überarbeitung und Überstunden wie etwa bei Krankenhausärzten im Bereitschaftsdienst. Auch eintönige Arbeiten, bei denen über Stunden routinemäßig die gleichen Handlungen vorgenommen, Bildschirme oder Objekte angestarrt werden müssen, beeinflussen Schlafrhythmen negativ. Beruflicher oder privater Stress und die ständige Beschallung oder Beschäftigung mit den allgegenwärtigen Medien und all den elektrischen Geräten, die man heutzutage haben muss, um jederzeit „up to date“ zu sein und seinen Alltag bewältigen zu können, tragen das ihre bei. Auch die in den USA nicht mehr wegzudenkende, in Deutschland bereits sich anbahnende Möglichkeit, heute rund um die Uhr zum Beispiel einkaufen oder zur Apotheke gehen zu können, bringt unseren natürlichen Rhythmus durcheinander9. Dabei haben Studien ergeben, dass Menschen, die genug und gut schlafen, in der Regel glücklicher, gesünder und in der Regel erfolgreicher sind. Zu wenig Schlaf bedeutet eine schwächere Gesundheit, niedrigere Produktivität beim Job, höhere Gefahr auf den Strassen und auch für das Eheleben.

Bei diesen Ergebnissen muss man sich doch fragen, wie es eigentlich New York City geht, „the city that NEVER sleeps“ und ob wir tatsächlich eine schlaflose Gesellschaft werden wollen bzw. ob wir uns das leisten können.

2. „Clueless“ – Wie Schlafmangel uns in der Mangel hat
Zu wenig Schlaf wirkt sich auf unser Leben aus, unser Sozialleben, unser Eheleben, unser Verhalten im Verkehr und bei der Arbeit. Warum? Durch Schlafmangel vermindern sich die menschliche Konzentrationsfähigkeit, unser Leistungs- sowie unser Reaktionsvermögen.

Wissenschaftler haben untersucht10, dass ein Mensch nach 16 Stunden ohne Schlaf erste ernste Ermüdungserscheinungen aufweist, denn das Gehirn hat sich zu diesem Zeitpunkt längst zum Schlafen abgemeldet. Nach 18 Stunden Schlafabstinenz verlangsamt sich unsere Reaktionszeit von einer viertel auf eine halbe Sekunde oder mehr. Da weicht man beim Autofahren schon mal von der Spur ab oder liest dieselbe Passage im Buch wieder und wieder. Nach 20–24 Stunden Wachsein nicken wir in der Regel weg, unsere Augen fallen zu und unsere Reaktionszeit entspricht der einer Person mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,8–1‰! Die Hormonausschüttung im Körper und die Körpertemperatur verändern sich. Gedächtnis und Körper arbeiten nicht mehr zu 100% – aus Übermüdung begehen wir Fehler.

Nach den Ergebnissen der NSF gaben von den befragten Amerikanern 60% an, im vorangegangenen Jahr schläfrig Auto gefahren zu sein; 4% gaben zu, einen Unfall oder Beinahe-Unfall gehabt zu haben, weil sie zu müde waren oder gar am Steuer gedöst hatten.

Fast 30% der beschäftigten Erwachsenen sagten, sie hätten in den vergangenen drei Monaten wegen Übermüdung oder Schlafproblemen ihre Arbeit versäumt oder Fehler bei der Arbeit gemacht. Und sogar mehr als 30% der Schlechtschläfer gestanden, dass ihre Intimbeziehungen litten, weil sie stets zu müde seien.

Bei zu wenig Schlaf haben wir unseren Geist und unseren Körper nicht mehr unter Kontrolle.

Schlaf ist ein physiologisches Grundbedürfnis wie Essen und Trinken, was von der Gesellschaft leider noch nicht so verstanden wird. Bekommt der Organismus den Schlaf nachts nicht, holt er ihn sich unter Umständen zu anderer Zeit. Der daraus folgende „Sekundenschlaf“ kann im Alltag zu gefährlichen Situationen und zu erheblichen Kosten führen. Nach Schätzungen des Schlafforschers Jürgen Zulley11 aus Regensburg belief sich der volkswirtschaftliche Gesamtschaden durch Übermüdung im Jahr 2002 auf weltweit immerhin 400 Milliarden Dollar!

3. „Dangerous“ – Schlafdefizit als neue Weltbedrohung?
Unaufmerksamkeit wegen Schlafmangels kann zur Gefährdung nicht nur der eigenen Person, sondern je nach Job auch anderer und unter Umständen einer Vielzahl von Menschen führen.

Nach einer US-Studie geschehen mehr als 50% der Arbeitsunfälle durch Müdigkeit. Und da sich diese Statistik auf alle Berufe bezieht, sind auch die Auswirkungen mehr oder weniger verheerend, wie die folgenden Beispiele zeigen.

In Kernkraftwerken, das extremste Beispiel, kann Schlafmangel und Übermüdung der dort Beschäftigten zu Katastrophen führen. Werden hier falsche Entscheidungen getroffen, falsche Knöpfe zur falschen Zeit gedrückt oder falsche Zahlen verwendet, die wir wegen Schlafmangels nicht mehr richtig sehen oder auseinanderhalten können, kann dies in einem Desaster unvorstellbaren Ausmaßes enden, von dem Unbeteiligte, Unschuldige und die Weltwirtschaft mehr als empfindlich betroffen sein können. Beim Reaktorunglück im sowjetischen Tschernobyl12 1986 war es der Chefingenieur, der nach einem anstrengenden Arbeitstag, nachts um halb zwei auf den Aus-Knopf des Reaktorblocks 4 drückte, der Sekunden später in die Luft flog. Die Folgen sind heute noch spürbar. Auch bei dem Reaktorunfall des Atomkraftwerkes „Three Mile Island“13 in Harrisburg, USA, 1979 war die Wachmannschaft um 4.00 Uhr früh am Einnicken und das Kraftwerk musste nach dem dadurch verursachten Beinahe-Unglück stillgelegt werden.

In Bophal14, Indien, setzte 1984 eine Explosion in der Pestizidfabrik Union Carbide gegen 00.57 Uhr eine tödliche Gaswolke frei, die in den ersten drei Tagen 8000 Menschen tötete. Bis heute sind über 20000 gestorben, 500000 Menschen leiden noch heute an den Folgeschäden. In diese Auflistung15 gehören auch die Explosion des Space Shuttles Challenger 1986, bei der die sieben Besatzungsmitglieder ums Leben kamen und das Öldesaster der Exxon Valdez. Der Öltanker verließ am 23. März 1989 gegen 21.12 Uhr den Alyeska Pipeline Terminal in Alaska. Nur knapp drei Stunden später, kurz nach Mitternacht, lief die Exxon Valdez auf Grund, wobei circa 10,8 Millionen Gallonen Rohöl das Meer verseuchten. Zwar gab es bei dem Unfall direkt keine Toten, jedoch wurden im Zusammenhang mit den Aufräum- und Reinigungsarbeiten vier Todesfälle bekannt. Indirekt waren die Verluste für Menschheit und Natur allerdings immens. In den nachfolgenden Untersuchungen kam heraus, dass der Dienst habende Wachmann zum Unfallzeitpunkt bis zu 18 Stunden auf den Beinen und zudem allein auf der Kommandobrücke war. 80 oder gar mehr Prozent der Hochseeunfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen.

All diese Katastrophen ereigneten sich in den Nachtstunden oder wurden zum Teil durch übermüdetes Personal verursacht. In allen Fällen mußten die Beschäftigten darüber hinaus komplexe technische und computergesteuerte Maschinen, Schaltflächen und Systeme bedienen und kontrollieren, bei denen auch nur die kleinsten Fehlgriffe große Auswirkungen hatten. Die direkten und Langzeitkosten bewegen sich bis heute in Milliardenhöhe.

Bei Militäreinsätzen müssen Soldaten oft über Tage mit nur wenigen Stunden meist unterbrochenen Schlafs auskommen, höherrangige Kräfte schlafen sogar noch weniger, um die betreffende Operation durchzuführen. Wie können Soldaten der Müdigkeit trotzen, die zu schweren Unfällen und Todesfällen durch sog. „friendly fire“ führen kann? In Afghanistan ist es zu einer Reihe von Vorfällen gekommen, bei denen Piloten von US-Kampfjets eigene Leute oder zivile Ziele beschossen haben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Piloten der US-Airforce vor ihrem Einsatz und während des Flugs zum Wachbleiben kontrolliert – heißt es – Amphetamine oder Speed-Tabletten, sog. „go-pills“ einnehmen. Um nach den Einsätzen entgegen dem natürlichen Schlafrhythmus Ruhephasen zu erzwingen, bekommen die Soldaten dann sedative Medikamente, „no-go pills“. Müdigkeit ist hier also der erste Feind, der mit allen Mitteln bekämpft wird.

Bei Auto-, Bus- und LKW-Fahrern ist die Gefahr des Einschlafens am Steuer ebenso gegeben. Bei monotonen Strecken auf der Autobahn, langen Entfernungen ohne Pausen oder nach einem bereits überdehnten Arbeitstag können die Augen am Steuer zufallen. Hier sind der Fahrer, der Beifahrer und auch eine Vielzahl von anderen Verkehrsteilnehmern betroffen. Noch schlimmer wird es, wenn es sich um Gefahrguttransporte handelt, wo bei Unfällen hochgiftige Substanzen in die Umwelt abdampfen und noch mehr Unbeteiligte geschädigt werden Wie bereits gesehen gibt ein Großteil der Autofahrer zu, bereits schwer übermüdet gefahren zu sein. Nach einer bayerischen Studie16 löst das Einschlafen am Steuer ein Viertel aller tödlichen Unfälle auf unseren Strassen aus und ist die häufigste Unfallursache überhaupt. Eine Studie aus den USA besagt, dass ein Drittel aller Autounfälle durch eine verstärkte Einschlafneigung beim Fahren verursacht wird. Die National Highway Traffic Safety Administration17 schätzt zurückhaltend, dass in den USA 100000 polizeilich gemeldete Zusammenstöße, 71000 Verletzungen und über 1550 Tote jährlich auf Fahrermüdigkeit zurückzuführen sind und Kosten i.H.v. 12,5 Milliarden US-Dollar verursachen. Mobilität und Schlaf – wer das eine will, muss das andere sein lassen. Schlafen kann nur der Beifahrer oder Passagier. Müdigkeit am Steuer scheint also mindestens ebenso gefährlich wenn nicht gefährlicher als Alkohol am Steuer zu sein. Warum gibt es dann immer noch keinen Müdigkeitsschnelltest analog zum Alkoholtest?

Natürlich dürfen die Ärzte nicht vergessen werden. In Deutschland darf der Arbeitstag eines Arztes grundsätzlich acht Stunden plus zwei erlaubte Überstunden betragen. Die Realität sieht anders aus. Damit kann das Arbeitspensum in den Krankenhäusern oder Praxen meist nicht bewältigt werden. Zu den normalen Überstunden kommen noch die 24 Stunden-Bereitschaftsdienste hinzu, um eine 24-stündige Patientenversorgung zu gewährleisten. Da kommt ein Arzt auf eine 70- bis 80-Stunden-Woche, in den USA sogar auf 100 Stunden! Die Verschreibung einer Überdosis oder das Setzen einer Nadel in die falsche Vene – Behandlungsfehler am Patienten wegen Übermüdung sind vorprogrammiert. In den USA wurde im Rahmen einer Studie der Harvard Universität18 herausgefunden, dass junge Ärzte, „doctors-in-training“, bei „normalen“ 30-Stunden Schichten 36% mehr schwerwiegende Fehler begehen als bei „kurzen“ 16-Stunden Schichten. Während der langen Schichten nickten die Ärzte im Schnitt 5,5 Mal ein, während der kurzen Schichten nur 2,6 Mal. Die Patienten bzw. die gesamte Gesellschaft können sich nur schwer ändern, solange die Ärzte nichts ändern. Ärzte dürfen nicht nur über das Thema Schlaf forschen und berichten. Sie müssen auch ihr eigenes Denken und Verhalten verändern, auf solche Missstände aufmerksam machen und sich auflehnen. „They must walk the talk.“

Aufgrund dieser und anderer Ergebnisse der Harvard-Studie hat das Brigham and Women”s Hospital in Boston19 angefangen, eine neue Arbeitsstunden-Politik einzuführen, die die Schichten für junge Ärzte einschränkt: Danach sollen Ärzte in einer Woche nicht mehr 100 Stunden, sondern „nur“ noch 80 Stunden arbeiten. Die Schichten sollen nicht mehr über 30, sondern nur noch 24 Stunden dauern und nach 18 Stunden ununterbrochener Arbeit sollen die Mediziner keine Anweisungen für Patientenbehandlungen mehr geben dürfen. 80 Stunden in der Woche, 24 Stunden am Stück – das klingt immer noch unmenschlich und steht mit dem naturgewollten Schlafrhythmus ganz klar nicht im Einklang. Von eventuellen Folgen für die Patienten ganz zu schweigen. Zwar ergab die Studie weder eine Steigerung der Anzahl von Todesfällen bei Patienten noch eine Verlängerung der durchschnittlichen Krankenhausaufenthalte. Dies war, so die durchführenden Wissenschaftler, jedoch lediglich auf die Kontrolle und Korrekturen durch das übrige Krankenhauspersonal zurückzuführen.

Das Nachsehen bei diesen Arbeitsstunden haben die Ärzte und die Patienten – und die Ärzte, die dadurch selbst zu Patienten werden!

Im Grunde gilt das Problem Schlafmangel und seine Folgen natürlich für alle Berufe. So zum Beispiel bei Fließband- oder Routinearbeit, wo stundenlang dieselben Tätigkeiten ausgeübt werden, Einzelteile oder Kleinstgeräte inspiziert oder Computerprogramme erstellt oder kontrolliert werden müssen. Auch hier leiden nach einem langen Arbeitstag die Konzentration und die Sehschärfe. Die Folge hier: ein fehlerhaftes Produkt kommt auf den Markt, an den Endkunden oder Patienten, sei es das neue Auto, ein komplexes elektrisches Gerät oder medizinische Ausrüstung. Mangelhafte Herstellung kann fatale Folgen bei der Anwendung haben. Auch bei Rechtsanwälten oder ähnlichen Berufen kommt es oft zu erheblichen Überstunden und somit zu Übermüdung. Verhandlungen und Verträge, die in den späten Abendstunden geführt bzw. geschlossen werden, haben nicht mehr die erforderliche Qualität.

III. Haftung…Who’s to blame? And who pays?
Wenden wir uns nun ein wenig der juristischeren Beleuchtung des Themas zu.

In unserer 24/7-Gesellschaft müssen LKWs ununterbrochen über die Autobahnen rollen, Ärzte im Akkord arbeiten und Maschinen pausenlos bedient werden. Der Preis dafür ist jedoch hoch. Nach US-Studien verursachen ermüdungsbedingte Unfälle den US-Unternehmen jährlich Kosten in Höhe von grob 77 Milliarden Dollar, von den persönlichen, nicht in Zahlen zu fassenden Verlusten bei unfallbedingten Todesfällen oder ökologischen Langzeitschäden ganz zu schweigen.

Wer aber trägt diese Kosten? Wer ist verantwortlich – die Arbeitgeber bzw. Unternehmen, die von ihren Angestellten höchstes Engagement und Produktivität bis zum Äußeren verlangen? Oder sind es die Beschäftigten selbst, wenn sie nach zu langer Schicht weiter arbeiten oder völlig ausgepowert noch Auto fahren? Was ist einklagbar, was ist gesetzlich geregelt und wie sieht die Praxis aus?

1. USA – Das Land der unbegrenzten Haftung?
Wir kennen die USA als Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und zwar in fast jeder Hinsicht. Uns sind die exorbitanten Summen aus US-amerikanischen Schadensersatzklagen aus den Medien bekannt. Auch im Bereich der ermüdungsbedingten Arbeits- und Verkehrsunfälle gibt es in den USA eine konsequente Rechtssprechung.

Doch es gibt auch einige Normen, die gewisse Arbeitnehmerschutzstandards festlegen. Der Occupational Safety and Health Act20 von 1970 bestimmt etwa, dass jeder Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern einen Arbeitsplatz und Arbeitsbedingungen frei von gesundheitsschädlichen oder gar lebensbedrohenden Gefahren zur Verfügung stellen muss. Für verschiedene Berufssparten gibt es darüber hinaus bestimmte Sicherheits- und Gesundheitsstandards, die vom Arbeitgeber eingehalten werden müssen. So bestehen u.a. für Piloten und auch Truckfahrer Arbeitszeitbegrenzungen. Diese werden jedoch oft nicht eingehalten und es kommt allein aufgrund dessen in den USA zu 24.000 Verkehrsunfällen jährlich.

Folge des 24/7-Rhythmus unserer Konsumkultur und dem damit einhergehenden Anstieg von Unfällen war und ist eine Flut von Rechtsstreitigkeiten und eine stark vermehrte Haftung der Arbeitgeber. In dem Präzedenzfall, in dem sich McDonald’s 1984 wegen eines sich nach Arbeitsschluß ereigneten, fatalen Autounfalls einer minderjährigen Angestellten, die mehrere Schichten hintereinander gearbeitet hatte, zu verantworten hatte, mußte der Fast-Food-Riese Schadensersatz in Millionenhöhe an die Geschädigten leisten. Seitdem sind in den USA Arbeitgeber jedenfalls wiederholt für Fahrlässigkeit in übermüdungsbedingten Arbeits- oder Autounfällen vor Gericht zur Rechenschaft gezogen worden. Selbst in Fällen, in denen die Angestellten sich außerhalb ihrer Arbeitspflichten oder Dutzende von Meilen von ihren Arbeitsplätzen befanden, hielten Geschworene in zahlreichen US-Staaten die Arbeitgeber für verantwortlich und legten Schadensersatzsummen von 5–20 Millionen Dollar fest.

Auch in Fällen, in denen Beschäftigte freiwillig Überstunden machten, wurden die Unternehmen zu enormen Zahlungen verurteilt. Das Bahnunternehmen Conrail wurde im Jahre 2002 von einem US Gericht für haftbar gehalten und zur Zahlung von 50 Millionen Dollar Schadensersatz verurteilt, nachdem ein Gleisarbeiter von einem Lokführer, einem anderen Angestellten des Unternehmens, überfahren und getötet wurde, weil dieser eingenickt war, während er den Zug führte, und den Kollegen nicht rechtzeitig gesehen hatte. Der Lokführer hatte freiwillig eine Doppelschicht übernommen; trotzdem wurde Conrail für „schuldig“ befunden, da das Unternehmen dem Zugführer erlaubt hatte, nach so vielen Stunden weiterzuarbeiten.

Seit 2003 gibt es in New Jersey außerdem ein neues Gesetz, demzufolge es illegal ist, wissentlich übermüdet ein Fahrzeug zu führen. Es heißt „Maggie’s Law“21 und rührt von einem Verkehrsunfall aus dem Jahre 1997 her, bei dem die 20-jährige Maggie McDonald getötet wurde, als ein anderer Autofahrer drei Spuren kreuzte und mit ihrem PKW zusammenstieß. Der Fahrer überlebte und gab an, vor dem Unfall 30 Stunden lang nicht geschlafen (und Drogen genommen zu haben). In Ermangelung eines Gesetzes, das das Einschlafen am Steuer verbietet, untersagte der Richter der Jury im darauf folgenden Prozess gegen den Fahrer, dessen Schlafmangel in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Der Fahrer erhielt eine niedrige Bewährungsstrafe und ein Bußgeld von 200 Dollar.

Mit „Maggie’s Law“ versucht New Jersey nun, die Strafverfolgung von Kraftfahrzeugfahrern zu erleichtern, die wegen Einschlafens am Steuer Menschen töten oder verletzen. Dies war das erste Gesetz seiner Art. New Jersey wurde dafür sehr gelobt (die neue Norm von Gegnern aber auch als „Lasst-uns-einfach-alles-kriminalisieren-Gesetz“ kritisiert) und viele andere US-Bundesstaaten sind dem seither gefolgt.

Dies hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Haftung zum Beispiel von Transportunternehmen, die angestellte Fahrer dem Zeitdruck ihrer Liefertermine aussetzen und sie so dazu bringen, bis zum Äußersten gegen ihre Müdigkeit am Steuer anzukämpfen. Wird Einschlafen am Steuer als Ursache eines Unfalls festgestellt, haften der Fahrer und das ihn beschäftigende Unternehmen, unter Umständen jedoch auch das Unternehmen allein. Der Druck auf LKW-Transportunternehmen ist seitdem gestiegen, denn 77% aller Lastwagenunfälle ereigneten sich bislang zwischen 23.00 und 7.00 Uhr, wenn die menschliche Wachsamkeit und Leistungskraft sich in ihren natürlichen Tiefs befinden. Laut US-Department of Transportation ist Müdigkeit das Nummer-1-Sicherheitsproblem im Verkehrs- und Transportsektor, das jährlich Kosten in Höhe von 12 Milliarden Dollar verursacht.

Aber auch in anderen Bereichen können Individuen und Einrichtungen nach der bestehenden Rechtslage in den USA verklagt werden, wenn sie bzw. ihre Angestellten wegen Einschlafens am Steuer Unfälle oder Unglücksfälle verursacht haben. Im Jahre 2003 sprach ein kalifornisches Gericht ein Krankenhaus und eine bei diesem beschäftigte Krankenschwester schuldig, nachdem die Krankenschwester auf der Heimfahrt von der Arbeit am Steuer eingeschlafen war und einen Unfall verursachte, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen22. Ein Grundsatz des Krankenhausrechts in vielen Bundesstaaten ist zwar, dass ein Krankenhaus nicht für Arbeitswegeunfälle ihrer Angestellten haftet. In diesem Fall hatte die Schwester jedoch eine zwölf-Stunden-Nachtschicht und einen vom Krankenhaus verlangten Weiterbildungskurs hinter sich. Das Gericht befand daher, dass beide, Schwester und Krankenhaus, leichtsinnig gehandelt hatten. Das Krankenhaus hatte 25% der Haftung zu tragen, da der Weiterbildungskurs nach der Nachtschicht als Sondertätigkeit eingestuft wurde, für die die generellen Regeln, nach denen Krankenhäuser vor dieser Art von Haftung geschützt sind, nicht gelten. Im Endeffekt mußte das Krankenhaus aufgrund seiner Zahlungsfähigkeit fast den gesamten Schadensersatz für die Geschädigten in Höhe von 1,4 Millionen Dollar übernehmen.

Ob Krankenhäuser die Haftung für Behandlungsfehler ihrer Ärzte übernehmen müssen, hängt in den USA maßgeblich davon ab, ob sie vom Krankenhaus angestellt sind oder als unabhängige Ärzte dort arbeiten. Ob Übermüdungsfehler der Ärzte den Krankenhäusern zugerechnet werden können, hängt davon ab, ob die Fehler tatsächlich aufgrund des Schlafmangels begangen wurden und ob das Krankenhaus bzw. die Vorgesetzten von der Überarbeitung des betreffenden Arztes Kenntnis hatten. Trotzdem kommt es immer wieder zu diesen exorbitanten Schadensersatzsummen. Präsident George W. Bush hat Anfang des Jahres 2005 daher im Kongress darauf gedrängt, die Schadensersatzhöhe für ärztliche Behandlungsfehler auf 250000 Dollar zu begrenzen und den so genannten „punitive damages“ einen Riegel vorzuschieben, um am Ende auch die steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu senken.

Ein sehr verbreitetes Haftungsregime in den USA ist das der strict liability in tort (Gefährdungs- oder Garantiehaftung). Danach haftet ein Schadensverursacher verschuldensunabhängig, das heißt gleichgültig dessen, ob er an dem Verhalten, das eine Verletzung bzw. einen Schaden verursacht hat, die Schuld trägt oder nicht. Selbst wenn er vernünftig gehandelt und alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, haftet er, wenn strict liablity zur Anwendung kommt. Dies ist der Fall bei Gefahr bergenden Aktivitäten, der Haltung gefährlicher Tiere und der Herstellung defekter Produkte, wenn dadurch ein Schaden verursacht wird. Ist also in diesen Bereichen Grund für einen Schaden müdigkeitsbedingte Unaufmerksamkeit, greift die strenge Gefährungshaftung, bei der der Geschädigte lediglich den Schaden und dessen Verursachung durch den Schädiger, nicht aber dessen Schuld nachweisen muss.

2. Deutschland – Alles geregelt?
Hinsichtlich der Haftung bei schlafbedingten Unfällen bzw. Fehlern gibt es in Deutschland zwar nicht diese fast schon glamourös hohen Entschädigungssummen, dafür haben die Deutschen viele Gesetze, die das Ziel haben, die Problematik der Arbeitszeit allgemein an der Wurzel zu packen. Mit Erfolg?

Hier ist alles systematischer und detaillierter normiert. Es gibt das Arbeitsschutzgesetz, wonach der Arbeitgeber auch hier für die Sicherheit und Gesundheit seiner Arbeitnehmer zu sorgen hat, ihn treffen also besondere Fürsorgepflichten. Dann ist da noch das Arbeitszeitgesetz. Das regelt u.a., wie lange am Stück gearbeitet werden darf, laut § 3 ArbZeitG nämlich nur acht bzw. höchstens zehn Stunden, wie lang die dazwischen liegenden Ruhezeiten zu dauern haben, grundsätzlich elf Stunden gemäß § 5 ArbZeitG, und was als Nachtarbeit, § 2 ArbZeitG, gilt. Zwar können im Arbeits- oder Tarifvertrag vor allem in Krankenhäusern und bei Verkehrsbetrieben abweichende Regelungen getroffen werden. So verkürzte Ruhezeiten oder verlängerte Arbeitszeiten sind aber immer entsprechend an anderer Stelle auszugleichen. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Vorschriften, das heißt lässt er seine Angestellten darüber hinaus arbeiten oder gönnt ihnen nicht genug Pause, muss er gemäß § 22 ArbZeitG mit Bußgeldern bis zu 15000 Euro rechnen. Bei absichtlichem Verstoß droht nach § 23 des Gesetzes unter Umständen sogar eine Freiheitsstrafe.

Es ist also alles genauestens geregelt. So der Grundsatz, so die Theorie.Die Praxis läuft jedoch oft anders. Die Einhaltung der Arbeitszeiten ist in vielen Berufen ein Problem.

Auch für Krankenhausärzte gilt zwar theoretisch das acht- bzw. zehn-Stunden-Limit des Arbeitszeitgesetzes. Praktisch hängen die Ärzte jedoch regelmäßig Überstunden an ihren regulären Dienst. Aufgrund eines EuGH-Urteils23 aus dem Jahre 2000 sind die bisherigen Bereitschaftsdienste im neuen, seit 2004 geltenden Arbeitszeitgesetz als normal zu vergütende Arbeitszeit zu rechnen. Der 24-Stunden-Alltag der Ärzte ist durch diese Änderung jedoch faktisch nicht abgeschafft worden. Die Bereitschaftsdienste waren zwar hart, brachten aber relativ gutes Geld. Jetzt müssen die Ärzte, um auf ein entsprechendes Gehalt zu kommen, mehr „normale“ Schichten schieben, was mehr Arbeit oder kürzere Ruhezeiten bedeutet. Zwar sollte die Änderung Patienten vor übermüdeten Ärzten und diese vor übertriebenen Arbeitszeiten schützen. Viele Ärzte bezeichnen das neue Modell jedoch als Trugschluss und Milchmädchenrechnung.

Es muss sich grundlegend etwas ändern. Es hilft nichts, sich nur zu beschweren, und anderen von oben etwas aufzuoktruieren. Für wahre Verbesserungen in diesem und vielen anderen Bereichen ist eine Änderung unserer Kultur der Wahrnehmung und des Umgangs mit dem Problem Schlafmangel und Arbeit erforderlich.

Für die meisten anderen Arbeitnehmer gilt natürlich das Gleiche. Der Arbeitgeber hat sich an das Arbeitszeitgesetz zu halten, sonst drohen oben genannte Konsequenzen. Verletzt er darüber hinaus seine Fürsorgepflicht schuldhaft und entsteht dem Arbeitnehmer daraus ein unmittelbarer Schaden, haftet der Arbeitgeber dafür außerdem aus unerlaubter Handlung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 823 BGB24. Wie hoch der Schadensersatz ausfällt, bestimmt sich ganz genau nach dem entstandenen Schaden, eventuelles Schmerzensgeld richtet sich nach einer Schmerzensgeld-Tabelle.

Weitere Folgen treffen Arbeitgeber und unter Umständen auch den Arbeitnehmer natürlich noch, wenn andere durch Nichteinhaltung der Arbeitzeiten und deren Auswirkungen betroffen werden.

Bei Behandlungsfehlern von in Krankenhäusern angestellten Ärzten etwa, haften grundsätzlich die Krankenhäuser aus dem mit dem Patienten geschlossenen Behandlungsvertrag oder aus Organisationsverschulden, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Vorgesetzten die Angestellten nicht sorgfältig ausgewählt oder kontrolliert haben. Krankenhäuser und Ärzte oder anderes Krankenhauspersonal haften gleichzeitig jedoch auch deliktisch. Konkret heißt das, dass bei Übermüdungsfehlern der Ärzte diese und die Krankenhäuser nur haften, wenn diese Fehler tatsächlich auf die Übermüdung des behandelnden Arztes zurückzuführen sind, der Fehler auch eine Schädigung des Patienten verursacht hat und das Krankenhaus bzw. dessen Träger von der Übermüdung des Arztes Kenntnis hatte. Für Transport-, Bau- und sonstige Unternehmen gilt natürlich in der Regel Entsprechendes. Eine lange Ursachenkette also, die grundsätzlich vom Geschädigten dargelegt und bewiesen werden muss, selbst wenn, wie in den meisten Fällen, eine Haftpflichtversicherung im Hintergrund steht.

Wenn ein Produkt mangelhaft an den Endverbraucher gelangt, wird dieser sich zunächst an den Verkäufer wenden. Dieser wird, falls er nachweisen kann, dass der Fehler nicht von ihm stammt, sondern bereits in der Herstellung der verkauften Sache seinen Ursprung haben muss, den Hersteller in Regress nehmen. Dafür muss nach den Produkthaftungsregeln diesmal der Hersteller beweisen, dass der Fehler nicht in seiner Sphäre entstanden ist. Hier besteht also eine so genannte Beweislastumkehr25. Hätte der Geschädigte bzw. der Regress nehmende Verkäufer demnach einen Verdacht, dass die Angestellten des Herstellers wegen Überstunden, stressiger Fließbandarbeit oder anstrengenden Nachtschichten nicht mehr mit vollem Einsatz und Hingabe das jeweilige Produkt zusammenbauen, inspizieren oder herstellen und es deswegen Mängel aufweist, so ist es Sache des Unternehmens, dies zu widerlegen, da es grundsätzlich für Taten und Missetaten seiner so genannten Erfüllungsgehilfen im Rahmen ihrer Tätigkeit einzustehen hat. Hier besteht also vergleichbar der strict liability in den USA eine sog. Garantiehaftung des Herstellers.

3. … und wer übernimmt die Umweltkatastrophen?
Tschernobyl, Exxon Valdez oder Bophal – bei diesen Horrorszenarien ist die Haftungsfrage offensichtlich ungemein schwieriger. Wem sollen solche Riesenkatastrophen zugerechnet werden, bei dem Tausende Menschen sterben oder geschädigt oder ganze Landstriche bzw. Meeresteile verpestet werden? Der Einzelne, der wie in den genannten Beispielen etwa aus Übermüdung falsch oder gar nicht gehandelt hat, kann solche Konsequenzen ja nicht tragen. Eine bestimmte Haftung gilt daher nur, wo eine so genannte Umwelthaftungsregelung besteht. In den meisten Entwicklungsländern und weniger entwickelten Regionen ist ein solches Haftungsrecht jedoch nur schwer umsetzbar oder nicht mal existent. Entwicklungen in diese Richtung sind allerdings zu beobachten.

Positiv zu erwähnen ist hier zum Beispiel Indien, das 1991 aufgrund der Katastrophe von Bophal mit seiner public liability insurance bill26 eine zumindest reduzierte Umwelthaftpflicht einführte. Danach müssen Unternehmen, die gefährliche Stoffe einsetzen, eine Haftpflichtversicherung abschließen. Aus dieser Versicherung sollen dann bei Chemieunfällen den Betroffenen wenigstens vorläufige Kompensationszahlungen geleistet werden, und zwar ohne Gerichtsverfahren und ohne Nachweis einer individuellen Schuld des Unternehmens bzw. seiner Angestellten. Zwar fallen diese Leistungen zunächst eher bescheiden aus, zumindest ist jedoch überhaupt irgendeine Zahlung an die Geschädigten gewährleistet. Eine endgültige Entschädigungssumme kann dann in einem Gerichtsverfahren erlangt werden. In diesem Bereich ist noch so viel ungeklärt und problematisch. Man ist sich noch nicht einig, was Vorrang haben soll – Prävention, Sanktion oder Entschädigung usw., aber zumindest wird mit Regelungen wie der indischen insurance bill ein Anfang gemacht.

4. Warum jetzt?
Warum kommt Schlaf jetzt wieder mehr ins öffentliche Bewusstsein? Warum gibt es plötzlich neue Gesetze über Arbeitszeiten und Sanktionen bei übermüdetem Fahren oder sonstigem Handeln? Plötzlich gibt es wieder Artikel, Bücher, Fernsehdokus, Gesundheitsmagazine etc., obwohl das Thema nicht neu oder fremd ist. Es begleitet uns tagtäglich und das nicht erst seit gestern. Immer mehr Menschen werden krank vor Streß auf der Arbeit. Schlafmangel schwächt die körperliche und geistige Widerstandskraft. Die Zahl der Unfälle aufgrund von Müdigkeit stieg in den letzten Jahren immer mehr und immer merklicher. Auf der anderen Seite sehen sich die Unternehmen und Arbeitgeber, in den USA sowieso und immer mehr auch in Deutschland, einem Schwall von Schadensersatzklagen, Krankmeldungen und auch der Demotivation ihrer Angestellten gegenüber. Das wirkt sich natürlich schlecht auf das Geschäft aus und spätestens dann muss gehandelt werden.

Insbesondere US-amerikanische Richter und auch Politiker scheinen immer radikaler zu entscheiden, wenn es um müdigkeitsbedingte Fehler oder Unfälle geht.

Es wäre nur schön, wenn diese Bestürzung, Besinnung und der plötzliche Wille zu Veränderung auch in Aktion münden und in Nachhaltigkeit fortdauern würden, denn dauerhafter Schlafmangel ist ein ernsthaftes Problem, das sich nicht nur in den Augenringen der Schlaflosen abzeichnet. Wie bereits erwähnt, müssen hier großen Worten auch mal Taten folgen: Don’t just talk but walk the talk!

IV. Lösungen – Where do we go from here?
Jetzt, wo wir also soviel über das Thema Schlaf bzw. Schlafmangel und deren Auswirkungen auf Arbeit gehört, gelesen, gesehen, nachgedacht und sicher auch selbst erlebt haben, bleibt nur die Frage: Was machen wir daraus? Was könnte getan werden, um Dinge zu verbessern, den betroffenen Menschen zu helfen und die Unternehmen trotzdem bei Laune zu halten?

1. Betrachtungen eines Managers …
Executive manager großer Unternehmen wissen nicht nur, was es bedeutet, mehrere hundert Mitarbeiter zu leiten und für die reibungslose Herstellung ihrer Produkte zu sorgen, sondern auch wie es ist, nach langen Arbeitsstunden oder nach langen Kontinentalflügen noch im Jetlag müde und matt Leistung bringen zu müssen.

Auch Manager spüren oft am eignen Leib, wie die Müdigkeit ihre Arbeit negativ beeinflusst. Oft sind Verträge oder Schriftstücke, die sie noch in den späten Abendstunden aufsetzen, am nächsten Morgen und bei Tageslicht betrachtet nicht mehr viel wert. Fehler schleichen sich in der Nacht ein, die sie in ausgeschlafenem Zustand sicher nicht gemacht hätten. Was aber, wenn Fehler nicht rechtzeitig entdeckt werden und nicht mehr verhindert oder behoben werden können? In einem Unternehmen zum Beispiel, in dem medizinische vorgefüllte Spritzen hergestellt werden, müssen viele Mitarbeiter diese Kleingeräte stundenlang auf Defekte inspizieren. Was ist zu tun, damit die Mitarbeiter nicht vor Monotonie einschlafen und Defekte übersehen, die für das Produkt und letztlich für den Endverbraucher bzw. Patienten schwerwiegend sein können, und für deren Konsequenzen das Unternehmen am Ende des Tages die Verantwortung zu übernehmen hat? Was lohnt sich an Investitionen in die Arbeitskraft, um dennoch den unternehmerischen Profit nicht aus dem Auge zu verlieren? Viele Unternehmen oder Arbeitgeber machen an dieser Stelle – und dies vor allem in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern – immer noch den Fehler, die Kraft des einzelnen Arbeitnehmers – überspitzt gesagt – bis zum letzten Tropfen auszuschröpfen, um Kosten zu sparen und somit mehr Profit daraus zu schlagen. Wozu Schlafmangel in Atomanlagen führen kann, hat Tschernobyl gezeigt.

Manager und Leiter von Konzernen sollten etwas mehr Weitsicht an den Tag legen. Die Kosten, die sie für Einstellung oder Ausbildung von mehr Arbeitskräften oder die Einführung von mehr Pausen, einfach für bessere Arbeitsbedingungen aufwenden müssten, stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten, die sie für aus Überarbeitung erkrankte oder verunglückte Mitarbeiter zahlen müssen (allein die Gesamtkosten wegen Krankheit oder Gesundheitsproblemen aufgrund von Schichtarbeit zum Beispiel beliefen sich in den USA im Jahr 1994 bereits auf sechs Milliarden Dollar im Jahr!), oder den Schadensersatzleistungen, denen sie sich bei schlafbedingten Fehlern oder Unfällen ihrer überarbeiteten, gestressten und von der Arbeit kranken Angellten aussetzen. Ein paar Zugeständnisse an und Investitionen in die Belegschaft mehr würde den Unternehmen und Betrieben auf lange Sicht gerechnet mehr nutzen. Jedoch brauchen die Manager für die Umsetzung dieser Änderungen auch wissenschaftliche Unterstützung. Die Forscher, aber auch die Belegschaft selbst sollten mit ihren Ideen, Vorschlägen und Lösungen Anstöße und Hilfestellungen geben, um Lösungen zu finden.

2. Schlachtplan oder wenigstens Denkanstöße …
Um die Zahlen der schlafbedingten Fehler, Unfälle, Krankheitsfälle und Rechtsstreitigkeiten zu verringern, muss das Problem an der Wurzel angepackt werden. Die Menschen müssen wieder mehr schlafen, und zwar regelmäßig, nicht zu viel, nicht zu wenig, wohl temperiert und auf guten Matratzen! Wie schon Heinrich Heine bemerkte: „ Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung“..

Machen wir doch mal Brainstorming: Unternehmen, Krankenhäuser etc. könnten einfach mehr Personal einstellen, um die bereits Angestellten in ihren Schichten zu entlasten. Die Mehrkosten scheinen enorm, aber die alternativen Kosten für Haftung und Krankenkosten werden diese auf Dauer übersteigen, ganz zu schweigen von Rufschädigungen, die durch vermehrte Fehlleistungen entstehen können.

Helfen könnte auch ein besseres und flexibleres Zeit- und Schlafmanagement der Unternehmen. Anfang und Ende der Schichten müssen eingehalten werden oder vielleicht sollte eine acht-Stunden-Schicht in zehn Stunden absolviert werden, damit die Beschäftigten zwischendurch auch mal Luft holen können. Auch könnte man die Arbeitszeiten noch mehr nach den biologischen Schlaf-Wach-Rhythmen richten. Der Schlafforscher Prof. Jürgen Zulley von der Universität Regensburg propagiert zum Beispiel, den Schulbeginn für Kinder um nur eine halbe Stunde von 8 Uhr auf 8.30 Uhr zu verschieben, weil sich der Biorhythmus um 8 Uhr noch in einer Tiefphase befindet27. Die Kinder sind um 8 Uhr weniger aufnahme- und leistungsfähig als um 9 Uhr, wenn Körper und Geist zur ersten Hochphase auflaufen. Darüber hinaus sollte es keine übertriebenen Überstunden, keine überlangen Schichten geben, in denen im Akkord gearbeitet werden muss. Ruhepausen müssen regelmäßig erfolgen und auch Ruhe gewähren. Immer auf dem Sprung zu sein oder einfach am Arbeitsplatz schnell etwas zu essen, hat nicht den erwünschten Abschalt- und Regenerierungseffekt.

Im Zusammenhang damit müsste die Haftung für die Arbeitgeber noch mehr verschärft werden, aber nicht nur um die Androhung von Sanktionen zu erhöhen, sondern eher, um sie zu einem grundlegenden Umdenken und einer Umwälzung ihrer Geschäftskultur zu bewegen. Was nützen Arbeitszeitgesetze, wenn die darin festgesetzten Arbeitszeiten nicht eingehalten werden, immer wieder geschummelt wird und die Belegschaft krank, unzufrieden und dadurch unzuverlässig wird?

Die Einführung von richtigen Schlafpausen am Arbeitsplatz würde ungemein viel helfen. Das Zauberwort heißt „Power Napping“, das ausgerechnet aus dem leistungsorientierten Amerika kommt. Der Spruch „Mittagschlaf ist was für kleine Kinder, Senioren und für Versager!“ wird dagegen in Deutschland immer noch gerne verwendet, und dass der Arbeitgeber seinen Angestellten Schlafplätze zur Verfügung stellt, ist in Deutschland immer noch die Ausnahme. Die Wissenschaft gibt den Verfechtern der Pause in der Horizontalen jedoch Recht: Nickerchen tragen nicht nur zum Wohlbefinden bei, sie fördern auch die Leistungsfähigkeit.

Fans dieser erholsamen Power Naps stehen inzwischen offensiv zum Minischlaf und schlossen sich sogar als „World Napping Organisation“ zusammen. Wissenschaftliche Studien ergaben, dass ein Nickerchen von nur 20 Minuten zwar zunächst auf Kosten der Arbeitszeit geht, die Leistungsfähigkeit aber danach um 25% steigt und einer Zeitersparnis von rund 90 Minuten entspricht. Auch Schlafexperte Prof. Zulley empfiehlt eine neue „Pausenkultur“28. Er plädiert für die Akzeptanz und die Einführung von Mittagsschläfchen auch am Arbeitsplatz, die jedoch nicht länger als 30 Minuten dauern und in die biologischen Tiefphasen fallen sollten, um den besten Effekt zu erzielen. Auch dem Arbeitgeber wird die Pause also nicht schaden, sondern nutzen.

Diese Erkenntnisse fließen in den letzten Jahren auch bereits in die Planungen von Firmen ein und Ruhepausen werden auch von den Gewerkschaften nachdrücklich gefordert. „Napping“ ist in internationalen Unternehmen weltweit auf dem Vormarsch. Mineralölkonzerne, Elektroriesen, Apple oder HP erlauben Mittagsschläfchen und haben Ruheräume geschaffen; ebenso die französische Atomkommission, die auf diesem Weg Fehlverhalten der Mitarbeiter durch Übermüdung reduzieren bzw. ausschließen will. In den USA werden für die Army sogar Kurse in der Kunst des Tagschlafes angeboten.

Das fortschrittliche Japan ist noch viel weiter mit dem Schlafkult: Nicht nur die Unternehmen bieten ihren Angestellten verdunkelte Relax-Center zur Erholung an, die neueste Geschäfts-Idee sind Nap-Shops, wo man in großen Räumen ein Zelt für den Minischlaf stundenweise mieten kann.

Andere Unternehmen oder Kanzleien bieten ihren Mitarbeitern, die Stunden am Schreibtisch verbringen sogar Massagen in der Pause an. Man muss seine Belegschaft bei Laune halten, um die gewünschten Erfolge und Gewinne zu erzielen. Und hier sind Flexibilität und Individualität der Unternehmen gefragt. Es gibt kein Einheitskonzept, das auf alle Betriebe oder Arbeitnehmer in jeglicher Branche passt. Jedes Unternehmen sollte die für sich und seine Mitarbeiter vorteilhaftesten Lösungen erarbeiten und umsetzen.

Arbeitgeber sollten jedenfalls Schadensbegrenzung betreiben und ihren überarbeiteten und übermüdeten Mitarbeitern bei gegebenem Anlass zum Beispiel das Taxi von der Arbeit nach Hause bezahlen oder anderweitig für das sichere nach-Hause-Kommen sorgen.

Das alles verursacht natürlich Kosten für die Unternehmen, deshalb wird es auch so schwer sein, diese neuen Schlaf-Arbeit-Management-Programme vor allem in Deutschland durchzusetzen. Wenn wir jedoch zu einer schlaflosen und damit irgendwann kranken Gesellschaft verkommen, werden die fehlerbedingten Schäden und Krankheitskosten für die Angestellten ins Unermessliche steigen. Umdenken ist angesagt!

Die Forderung nach Umdenken richtet sich aber auch an die Betroffenen, an die Angestellten, Arbeiter und Beschäftigten in allen Berufssparten, die mit dem Problem in Berührung kommen. Sie sitzen sozusagen an der Quelle, sie kennen die Missstände, die die Überarbeitung und den Schlafmangel, begründen am besten. Deshalb müssen sie auch mit Vorschlägen zu Verbesserungen und mit Lösungen kommen. Wie kann man Geräte, Arbeitskonzepte und – vorgänge aus ihrer Sicht verbessern? Wie können Arbeits- und Schichtpläne für alle Beteiligten sinnvoller gestaltet werden?

Mit dem steten Fortschritt der Technologie verändern sich auch die Arbeitsbedingungen. Bestimmte Arbeitsvorgänge werden dadruch für die Beschäftigten einfacher. Es müssen nicht mehr acht oder zehn Arbeitsschritte für ein bestimmtes Resultat gemacht werden, sondern durch neue Geräte oder Systeme nur noch ein oder zwei Handgriffe oder eben entsprechende Schalter ge- bzw. betätigt werden. Dadurch geht alles schneller und einfacher. Je einfacher, desto besser? Mit der immer verfeinerten und ausgeklügelten Technik geht jedoch nicht nur Beschleunigung und Vereinfachung, sondern auch mehr Komplexität einher. Die einzelnen gewohnten Mechanismen und Arbeitsvorgänge verschwinden immer mehr hinter Maschinen, Knöpfen und Computern, sie werden quasi unsichtbar für das menschliche Auge. Dazu kommt, dass mit der Entwicklung der Technologie auch die Risiken steigen. Je mehr technisch möglich wurde – sei es durch die Erfindung des elektrischen Lichts, des Fliegens, der Kernspaltung und vieles mehr – desto größer wurden auch die Risiken, die der Mensch einging.

Im Zustand der Müdigkeit kann sich der scheinbare Vorteil der immer „einfacher“ werdenden Technik schnell als Nachteil entpuppen. Mehr Effektivität in der Arbeit durch verbesserte Technik bedeutet gleichzeitig auch mehr oder größere Risiken. Wenn nämlich ein Beschäftigter im Kernkraft etwa aus Übermüdung den falschen „kleinen“ Knopf drückt, sind die Folgen tragisch. Und genau hier liegt das Problem der Risikoabschätzung, das in allen Branchen und aufgezeigten Beispielen relevant ist. Ungewöhnliche Risiken sind immer schwer abzuschätzen. Technische Risiken und Ausfallmöglichkeiten können in der Forschung und Entwicklung neuer Technologien wohl berechnet und gegebenenfalls weitgehend minimiert werden. Aber was ist mit den Risiken, die weitaus banaler oder menschlicher, eben „kleiner“ sind bzw. erscheinen? Kann Müdigkeit wirklich nur zu „kleinen“ Fehlern führen? Müdigkeit würden wir allgemein nicht als großes Risiko einschätzen, weil wir entweder gar nicht daran denken oder glauben, uns auch in ermüdetem Zustand stets unter Kontrolle zu haben. In den meisten Fällen ein Irrglaube, wie wir oben bereits festgestellt haben. Worst-case-scenarios, die vor allem auch aufgrund von müdigkeitsbedingten Ausfällen entstehen können, stellen wir uns meist nicht vor, deshalb können – oder wollen – wir das Risiko auch nicht abschätzen. Wir müssen uns des Risikos von Übermüdung am Arbeitsplatz jedoch ganz bewusst sein, denn es birgt Gefahren in sich, die behebbar bis katastrophal tragisch ausgehen können. Wenn sich die Technik immer weiter und rasanter entwickelt, dürfen wir in unserem Horizont und unserem Bewusstsein nicht stehen bleiben. Auch unsere Wahrnehmungs- und Handlungskultur muss sich entsprechend weiterentwickeln, wir müssen auch menschliche Fehlbarkeiten und Risiken berücksichtigen und bei der Technologieentwicklung einkalkulieren. Müdigkeit als Risiko wahrzunehmen und zu akzeptieren, ist keine Schwäche und es ist kein schwer lösbares Problem. Es muss nur allen bewusst sein und die Bereitschaft und der Mut, Lösungen vorzuschlagen und umzusetzen, müssen wachsen – bei den Betroffenen, den Vorgesetzten und in der Politik!

Deshalb bedarf es auch einer noch weiteren Verbreitung des Themas in der Öffentlichkeit. Jeder ist gefragt, auch die betroffenen Arbeitnehmer und Angestellten müssen ihre Vorgesetzten auf das Problem aufmerksam machen.

Übrigens ein Genie unserer Zeit war ein gesunder Langschläfer: Albert Einstein. Er schlief im Schnitt ganze zehn Stunden pro Tag und wir wissen ja, was er der Wissenschaft und der modernen Welt alles an genialen Gedanken beschert hat.

Geruhen Sie wohl!

Literatur
1 Borbély, A. Das Geheimnis des Schlafs. Kapitel 1, Buchausgabe © 1984 Deutsche Verlags-Anstalt GmbH, Stuttgart (vergriffen), Ausgabe für das Internet, 1998, Borbély, A., Universität Zürich: http://www.unizh.ch/phar/sleep/buch/KAP1.htm#1.4.

2 Degen, R. Strategische Nickerchen am Arbeitsplatz. In: Antoni, C., Eyer, E. (Hrsg.). Das flexible Unternehmen, Kapitel 4.4, Teil 2, Ausgabe für das Internet:http://www.flexible-unternehmen.de/kv0404_02.htm.

3 http://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Alva_Edison.

4 Maaß FU, Naumann F. Was Träume uns raten. Botschaften des Unbewußten entschlüsseln und nutzen. Verlag Gesundheit, Berlin 1999. Internetausgabe: http://www.berlinx.de/ego/699/art2.htm.

5 The National Sleep Foundation, www.sleepfoundation.org.

6 Summary Findings des 2005 Sleep in America Poll-Reports, S.7, http://www.sleepfoundation.org/hottopics/index.php?secid=16&id=245.

7 Deutsche Akademie für Schlaf und Gesundheit, http://www.medbo.de/533.0.html.

8 Vgl. Fn. 6, S. 18.

9 Adam B, Geißler K, Held M. Die Nonstop- Gesellschaft und ihr Preis. Hirzel, Stuttgart, 1998.

10 Gorman C, Cray D, Crittle S, Gibson G, Rosenberg G. Why We Sleep. TIME Magazine, Dezember 20, 2004, 46-56.

11 Zulley J, Knab B. Unsere Innere Uhr. Herder, Freiburg, 2003.

12 Dement WC, Vaughan C. The Promise of Sleep. Dell Publishing, 1999, 232, 393.

13 Vgl. Fn.12, S.393.

14 Brown D. The Dead Zone. The Guardian, September 21, 2002.

15 Vgl. Fn. 12, SS. 52, 53, 393.

16 Verkehrsexperten warnen vor Personalabbau im öffentlichen Dienst. 123 Recht. Net. 29. Januar 2004, http://www.123recht.net/article.asp?a=7946.

17 US National Highway Traffic Safety Administration http://www.nhtsa.dot.gov; http://www.nhtsa.dot.gov/portal/site/nhtsa/menuitem.54757ba83ef160af9a7ccf10dba046a0/

18 Cromie WJ. Interns crash more after long shifts. Harvard University Gazette, January 12, 2005, http://www.news.harvard.edu/gazette/daily/2005/01/12-crash.html.

19 More Sleep Equals Fewer Mistakes for Hospital Interns. Sleepmatters, Winter 2005, Volume 7, Issue 1.

20 US Occupational Safety & Health Administration, http://www.osha.gov/.

21 HR 5543, “Maggie”s Law: National Drowsy Driving Act of 2002”, http://www.njleg.state.nj.us/2002/Bills/A1500/1347_R2.HTM; http://www.sleepfoundation.org/hottopics/index.php?secid=10&id=247.

22 Glander v. Marshall Hospital, 2003 WL 649127 P.2d-CA; Tammelleo, A.D. Was hospital liable for 2 deaths in nurse”s auto accident? Hospital Law”s Regan Report, 2003.

23 SIMAP-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Rechtssache C-303/98.

24 Thomas H. §823, Rn. 1ff, 169-171. In: Palandt – Kurzkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. C.H.Beck Verlag, München, 2006.

25 Vgl. Fn.24. §823, Rn. 220.

26 The Public Liability Insurance Bill, 1991, http://parliamentofindia.nic.in/ls/bills/1991/1991-03.htm.

27 Zulley J. Mein Buch vom guten Schlaf. Zabert Sandmann, München, 2005, 100.

28 Vgl. Fn. 27, SS. 112, 113.

Anschriften der Verfasser:

.Jasmine Henz, LL.M.

Academic Associate

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