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Frühdefibrillation im Betrieb – ein neues PC-gestütztes Trainingsprogramm (PTW) sichert Schulungswissen und baut Berührungsängste ab

Herz-Kreislauferkrankungen führen in allen Industriestaaten die Statistik der Todesursachen an. In Deutschland sterben jährlich über 100.000 Menschen am plötzlichen Herztod. Kammerflimmern ist dabei ein wesentlicher Mechanismus. Unterbrechen lässt sich diese Rhythmusstörung nur durch einen kontrolliert abgegebenen Stromstoß mit einem Defibrillator. Dabei ist der Zeitfaktor entscheidend: Die Chancen für eine erfolgreiche Reanimation sinken ohne Defibrillation minütlich um 7–10 %.1

Früher war diese Behandlung ausschließlich Ärzten vorbehalten. Da aber die Überlebenswahrscheinlichkeit mit jeder Sekunde, die das Kammerflimmern besteht, abnimmt, wurden inzwischen auch Geräte für die Anwendung durch Laien entwickelt. Diese AEDs (Automatische Externe Defibrillatoren) funktionieren halbautomatisch und führen den Benutzer sprachgesteuert durch das Programm. In den USA sind die Geräte bereits weit verbreitet und haben zu einer messbaren Reduktion der Todesfälle geführt.2 Auch in Deutschland findet man AEDs inzwischen, zum Beispiel in Flughäfen, manchen Bahnhöfen oder Sportstätten.

Aber obwohl die Hälfte aller Erwerbstätigen, die einen plötzlichen Herztod erleiden, am Arbeitsplatz verstirbt, sind in Deutschland bisher nur relativ wenige Betriebe mit automatischen Defibrillatoren ausgestattet. Mit ein Grund dafür dürfte die zurzeit noch sehr konservative Haltung der gewerblichen Berufsgenossenschaften zu diesem Thema sein. Deren aktuelle Empfehlung an die Mitgliedsbetriebe lautet, nur am AED ausgebildete Ersthelfer dürfen das Gerät bedienen und nur betriebliche Ersthelfer dürfen am AED ausgebildet werden. Folgt man dieser Empfehlung, so bedeutet das, dass es in gewerblichen Betrieben gerade mal 10 % und in Verwaltungsbereichen sogar nur 5 % der Mitarbeiter erlaubt sein sollte, einen vorhandenen AED im Notfall auch zu benutzen.

Aus notfallmedizinischer Sicht ist diese Empfehlung kontraproduktiv und so, als würde man fordern, dass im Brandfall nur Mitglieder der betrieblichen Löschgruppe den Feuerlöscher benutzen dürfen.

AEDs wurden für den Einsatz durch Laien konzipiert und erfordern kein besonderes medizinisches Fachwissen. Eine Studie aus den USA belegt zudem, dass 60 % der Laien, die erfolgreich eine Frühdefibrillation durchführten, weder Erfahrung noch eine Ausbildung in der Benutzung von automatischen Defibrillatoren hatten.3 Natürlich ist es wünschenswert, möglichst viele Men-schen in Herz-Lungen-Wiederbelebung auszubilden. Die Studienergebnisse zeigen aber, dass auch ganz ohne Ausbildung gute Ergebnisse mit der Frühdefibrillation erzielt werden können. Die Gefahr einer Selbst- oder Fremdgefährdung beim Gebrauch des Gerätes ist extrem gering und beschränkt sich auf die Berührung des Patienten während der Defibrillation. Eine Gefährdung des Patienten durch den AED-Einsatz ist weitgehend ausgeschlossen, da die integrierten Algorithmen der Geräte ei-ne nicht indizierte Schockabgabe unmöglich machen.

Es kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass ein Patient, wenn keine höher qualifizierte Person anwesend ist, auch von einem Laien eine adäquate Hilfeleistung einschließlich Defibrillatoreinsatz erwartet, sofern ein solcher verfügbar ist. Die damit aus juristischer Sicht verbundene Körperverletzung ist in sofern gerechtfertigt. Der Koblenzer Staatsanwalt Ralf Tries hat zudem beim 39. Kongress der Ärztekammer Nordwürttemberg 2004 darauf hingewiesen, dass die häufig, unter anderem von der Bundesärztekammer, angeführten rechtlichen Probleme bei der Anwendung von automatischen Defibrillatoren durch Laien realiter nicht bestehen, da es in Deutschland weder gesetzliche Vor-gaben zur Ausbildung von Laien in der Defibrillation gibt, noch Regressansprüche befürchtet werden müssen.

Bedenkt man nun noch, dass die Chance für eine erfolgreiche Reanimation ohne Defibrillation minütlich um 7–10 % sinkt und sich nach 10 Minuten von anfänglichen 75 % auf nur noch 2% reduziert hat, so wird deutlich, dass der schnellstmögliche Einsatz des AEDs oberste Priorität bei der Rettung eines Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand haben muss. Das Warten auf den betrieblichen Ersthelfer, der dann seinerseits nach Erkennen der Situation noch den Defibrillator holen (lassen) muss, bedeutet einen Zeitverlust, der unter Umständen entscheidend ist.

Ziel aus medizinischer Sicht muss daher sein, in Betrieben, in denen automatische Defibrillatoren vorhanden sind, möglichst alle Mitarbeiter mit der Funktionsweise des Gerätes vertraut zu machen und sie zu ermutigen, es im Notfall auch einzusetzen. Hierzu eignen sich Kurzschulungen in Herz-Lungen-Wiederbelebung mit AED-Anwendung, wie sie von der Björn Steiger Stiftung seit Jahren gefordert und seit dem 30. Juni 2003 auch von allen in der Erste-Hilfe-Ausbildung tätigen Hilfsorganisationen angeboten werden.

Als Ergänzung haben die Werksärzte der Degussa AG in Zusammenarbeit mit der Deutschen Herzstiftung und dem Herzzentrum Berlin ein PTW-Buch (Personal Training Window, s H.-J. Gehrmann, dieses Heft) zum Thema Reanimation und Laiendefibrillation entwickelt und produzieren lassen. Unter dem Titel „3 Minuten – Erste Hilfe bei Herzstillstand“ zeigt es, zerlegt in kleine Einzelschritte, den vollständigen Ablauf ei-ner Reanimation mit und ohne Einsatz eines AEDs und soll zukünftig an möglichst allen Degussa-Standorten, die mit Laiendefibrillatoren ausgestattet werden, als Schulungsmittel zum Einsatz kommen.

Wichtige Schlüsselbotschaften sind dabei Sätze wie „Der größte Fehler: Das Gerät nicht holen“ oder „Das Gerät macht keine Fehler. Ich mache nur einen Fehler, wenn ich es nicht anwende!“.

Dieses neue PTW-Buch bietet gerade im Bürobereich eine hervorragende Möglichkeit, das in den Schulungen Gelernte durch regelmäßige Wiederholung zu verinnerlichen und so den Mitarbeitern die Angst vor dem Einsatz dieser unter Umständen lebensrettenden Technik zu nehmen. Denn im Ernstfall wird das Leben eines Kollegen mit Herz-Kreislaufstillstand wesentlich davon abhängen, dass jeder und nicht nur der betriebliche Ersthelfer weiß, was zu tun ist. Dies sollte nicht durch ungerechtfertigte bürokratische Hürden verhindert werden.

Unter diesem Aspekt wäre es wünschenswert, bestehende Aussagen zum Einsatz von Laiendefis in Betrieben neu zu überdenken. Denn nur wenn möglichst viele Mitarbeiter in der Lage sind, den AED zu benutzen, wird sich das eigentliche Ziel, die Zahl der plötzlichen Herztode in Betrieben zu reduzieren, erreichen lassen.

Literatur

1. Terence D. Valenzuela, Denise J. Roe, Graham Nichol, Lani L. Clark, Daniel W. Spaite, Richard G. Hardman, Outcomes of Rapid Defibrillation by Security Officers auter Cardiac Arrest in Casinos; The New England Journal of Medicine 2000; 343.

2. Larsen MP, Eisenberg MS, Cummins RO, Hallstrom AP, Predicting survival from out-of-hospital cadiac arrest; Ann Emerg Med. 1993; 22: 1652–1658

3. Sherry L. Caffrey, Paula J. Willoughby, Paul E. Pepe, Lance B. Becker, Public Use of Automated External Defibrillators; The New England Journal of Medicine 2002; 347: 1242–1247.

Dr. med. Uta MüllerDegussaWerkärztlicher Dienst, Frankfurt

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